Granhult Kyrkan

Ein Geschenk des Himmels mitten im Wald

Fotos: Thomas Geyer, 2012

Weil wir Freunde in der Gegend um Vimmerby haben, fahren wir von Tingsryd aus immer wieder einmal nach Norden, über Lessebo und Kosta, entlang der Straße Nr. 28/31. Bei einer dieser Fahrten entdeckten wir einen Schatz, den wir jedes Mal wieder besuchen, wenn wir auf dieser Straße unterwegs sind. Nur wenige Kilometer nördlich von Lenhovda weist ein Schild am rechten Straßenrand auf „Granhult Kyrka“ hin – dank Sveriges Vägatlas wussten wir, dass es sich um die älteste Holzkirche Schwedens handeln sollte. Also bogen wir ab, ohne große Erwartungen, denn zunächst gab es nur Bäume zu sehen.

Doch als sich der Wald nach einigen hundert Metern öffnete, stand sie einfach da auf der Wiese, umgeben von einer Steinmauer, mit Glockenturm und Torhaus: Granhult gamla kyrka. Am Torhaus erwartete uns ein Schild, das davor warnte, dass Teile der Holzschindeln frisch geteert worden waren. Die Arbeiten waren an der unterschiedlichen Färbung der Holzverkleidung zu sehen, störten aber keineswegs, denn die Fassade der kleinen Kirche ist einfach beeindruckend.

Man kann durchaus glauben, dass es die älteste in Schweden noch erhaltene Kirche ist, die vollständig aus Holz erbaut wurde. Dendrochronologische Untersuchungen stellten für die alten Balken ein Alter von rund 800 Jahren fest, erbaut wurde das Kirchlein wohl um 1217. Bis ins Jahr 1837 war es Versammlungsort der Gläubigen aus der Umgebung, dann machte es ein enormes Bevölkerungswachstum nötig eine größere Kirche zu errichten. Eine Kirchenreform legte die Gemeinden Nottebäck und Granhult zusammen, in Nottebäck entstand eine neue und größere Kirche, das kleine Gotteshaus in Granhult sollte abgerissen werden. Doch die Leute von Granhult setzten sich zur Wehr, erhielten schließlich von Bischof Esaias Tegnér die Erlaubnis ihre Kirche auf eigene Kosten als Getreidespeicher zu nutzen. Auf diese Weise wurden mehrere alte Kirchen in Kronobergs Län vor dem Abriss gerettet und konnten bis heute bewahrt werden.

Und dass sich die Rettung gelohnt hat, haben wir selbst erlebt: wir öffnen die schwere Holztür und treten ein in einen Raum, der durch sein Licht, die Wärme der Farben, die Schlichtheit der Ausstattung und durch die unsägliche Ruhe, die er ausstrahlt, ein echter Ort der Besinnung und Erholung ist. Man scheint die Gebete zu hören, die jahrhundertelang hier gesprochen wurden, die Lieder der Gemeinde scheinen noch nachzuhallen, der Glaube der Menschen von damals scheint diesem Raum Zuversicht und Beständigkeit zu verleihen. 

Man muss kein Kunsthistoriker oder Kirchengeschichtler sein, um den Besuch in Granhult kyrkan genießen zu können. Natürlich sind die Malereien an den Wänden phantastisch, zeigen sie doch, wie den Menschen in früheren Jahrhunderten die biblischen Geschichten nahegebracht wurden. Die Architektur ist schlicht, aber beeindruckend. Man kann gut nachvollziehen, dass die ursprünglich weit oben eingebauten kleinen Rundbogenfenster in ruhigeren und weniger kriegerischen Zeiten größeren Fenstern weichen mussten. Im 17. Jahrhundert wurde die Sakristei angebaut, etwas später das Waffenhaus, das den Eingang gegen Wind und Wetter schützen sollte. Das Kirchlein wuchs mit seiner Gemeinde, veränderte sein Aussehen den Bedürfnissen und dem Geschmack der Zeit folgend. Doch das kurze breite Langhaus scheint von jeher in sich zu ruhen und den Menschen Geborgenheit zu schenken.

Von 1837 bis 1879 diente Granhult Kyrka weltlichen Zwecken, doch als der Erneuerungssturm in der schwedischen Staatskirche abflaute, wurde sie wieder geweiht. Seitdem dürfen wieder regelmäßig Gottesdienste stattfinden, viele Leute aus der Gegend wählen die Holzkirche um Hochzeiten und Taufen zu feiern. Es sind die Menschen, die das Kirchlein damals am Leben erhalten haben und es jetzt wieder mit Leben füllen. Wer immer von Lenhovda aus Richtung Norden unterwegs ist, sollte es nicht versäumen Schwedens ältester Holzkirche einen Besuch abzustatten.

 

Text: Gertraud Geyer, 2019